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Renaturierung – Gutes und politisches Kleingeld

Die „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“ verkam leider zu einem Politikum. Die einen nutzten sie, um eine gewisse Schwerfälligkeit bei der Umsetzung politischer Versprechen zu kaschieren, die anderen, um sie zum Schreckgespenst der Nation zu machen, das der politische Gegner zum Leben erweckte.

In Wahrheit geht es bei der Renaturierung um die Etablierung von Maßnahmen zur Gewährleistung der Erholung der biologischen Vielfalt und Widerstandsfähigkeit der Natur in der gesamten Europäischen Union.

Dass eine moderne und zukunftsweisende Raumplanung und eine nachhaltige Bewirtschaftung von Land, Binnengewässern und Meeren nur gelingen kann, wenn dabei ökologische Gesichtspunkte eine wichtige(re) Rolle spielen, steht in Zeiten von Klimakrise, Bodenversiegelung, Artensterben und Naturkatastrophen wohl außer Zweifel.

Bei Natur- und Umweltschutz darf es aber natürlich niemals um ein Beharren auf bloß formalrechtliche Normen gehen. Natur- und Umweltschutz dient dem „Wohle der Menschen, des Planeten, des Klimas und unserer Wirtschaft“, wie es in der Renaturierungsverordnung heißt. Natur- und Umweltschutz steht also mit all diesen Aspekten, mit einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft, einer modernen und ressourceneffizienten, gleichzeitig aber auch wettbewerbsfähigen Wirtschaft in Wechselwirkung. Die Entscheidung für Maßnahmen, die zur Renaturierung ergriffen werden, muss letztlich einem Ringen entspringen. Einem Ringen zwischen Vertretern des Natur- und Umweltschutzes und Vertretern der Landwirtschaft, der Grundeigentümer, anderer Landnutzer wie etwa Jäger oder Fischer, aber auch Vertretern von Tourismus und Wirtschaft. Wie wichtig dieses Ringen zwischen Naturschutzinteressen und anderen wichtigen Interessen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung bestätigt, die im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit zwischen der Umweltanwaltschaft eines Bundeslandes und meiner Klientin erging.

Gelingt dieses Ringen, dieser Austausch und ist der erzielte Kompromiss nicht bloß das taktisch-politisches Zugeständnis einer stärkeren oder der stärksten Gruppe, werden mit den zu ergreifenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur langfristige Vorteile für alle Betroffenen und Beteiligten einhergehen. Hier geht es beispielhaft um erneuerbare Energien, die Eindämmung der Bodenversiegelung, um qualitativ hochwertige Habitate, um die Vernetzung von Oberflächengewässern zur Begünstigung von Auen, die Wiedervernässung von entwässerten Moorböden, die Begünstigung der Lebensbedingungen für Bienen-, Schmetterlingsarten, Vögeln und anderen Tieren, den Einsatz von Totholz (Habitatbäumen), um die Wiederherstellung von Laich- und Aufwuchsgebieten, die Renaturierung von Flussbetten, Seen und Niederungsfließgewässern mit besonderem Augenmerk auf Uferzonen und die Vergrößerung von ökologischen Elementen in Stadtgebieten (z.B. Grünflächen, grüne Dächer, Wildblumenwiesen, Alleen, Teiche). Auch der Entfernung und Bekämpfung invasiver gebietsfremder Arten kommt hier Bedeutung zu und weiters der Verringerung von Weideintensität oder Mahd. Ganz wichtig ist auch die Einstellung oder die Verringerung des Einsatzes chemischer Pestizide und Düngemittel.

Es leuchtet ein, dass bei all dem die Landwirtschaft eine besondere Rolle spielt. Sie ist es, die für den Erhalt von Gebieten mit biologischer Vielfalt von entscheidender Bedeutung ist und außerdem geht es bei den zu ergreifenden Maßnahmen zur Renaturierung letztlich auch um Ernährungssicherheit. Genau das ist der Grund, warum es für die Umsetzung der Verordnung im auszuarbeitenden nationalen Wiederherstellungsplan den oben genannten Austausch ganz besonderes mit Landwirtinnen, Landwirten und anderen Interessententrägern braucht. Es ist völlig klar, dass es hier immer auch um finanziellen Ausgleich und finanzielle Abgeltung gehen muss.

Das Gesetz richtet sich aber nicht nur an Landwirtinnen und Landwirte. Auch Städte und Gemeinden werden damit angehalten, Ökosysteme wiederherzustellen. Das Thema sollte aber auch jede oder jeden einzelnen ermuntern darüber nachzudenken, wie ökologisch wertvolle Flächen oder Orte geschaffen werden können. Jeder kann am Fensterbrett, am Balkon, der Terrasse oder im Garten Pflanzen Raum bieten, die für Schmetterlinge, wildlebende Bienen, Insekten und Vogelarten wertvoll sind. Auch Steinhaufen und kleine Teiche im Garten können wertvolle Biotope darstellen.

Städte und Gemeinden können im Rahmen ihrer Ortsgestaltung, Raumordnung und Raumplanung größer denken. Sie können einerseits mehr in Grünflächen investieren und sich um eine bessere Baumüberschirmung kümmern. Selbst im früher für seinen durchgängig picobello gemähten Rasen berühmt gewesenen England findet man zwischenzeitig zahlreiche ökologisch wertvolle Flächen: der Tower of London ist von einer Wildblumenwiese umgeben und im St. James‘ Park gibt es eine Unzahl an nicht gemähten Ecken und Flächen. Auch Unternehmen werden bei der Gestaltung ihrer betrieblichen Flächen gefordert sein. Pufferstreifen, Hecken, Einzelbäume oder Baumgruppen, Baumreihen, Feldraine, Kleinflächen, Gräben, Wasserläufe, kleine Feuchtgebiete, Steinhaufen und Steinmauern bieten Platz für wildlebende Pflanzen und Tiere. All dies trägt auch zu einer Verhinderung von Bodenerosion und -verarmung bei. Dadurch wird Luft und Wasser gefiltert und ein mehr oder weniger großer Beitrag zur landwirtschaftlichen Produktivität von bestäubungsabhängigen Kulturen geleistet.

Es geht hier nicht um eine Verwilderung von Flächen. Mähen ist Voraussetzung dafür, dass der artenreiche Lebensraum Wiese entsteht und erhalten bleibt. Nur nicht zu oft mähen lautet die Devise… Dass hier nicht mit dem Rasenmäher gearbeitet werden kann und die Sense zur Hand genommen werden muss, steht außer Frage!

Zusammengefasst ergeben sich aus der Verpflichtung zur Renaturierung eine ganze Reihe an Chancen sowohl ökologischer, als auch ökonomischer Natur! Sie zu nutzen wird Teil der Politik und Interessenvertretung in den kommenden Jahren sein. Hier wird es nottun, gemeinsam an einem Ganzen zu arbeiten und das wichtige Thema nicht für politisches Kleingeld zu instrumentalisieren.

Weitere Informationen:

Imkerei Gappmayer
Europäische Kommission: Der europäische Grüne Deal
Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
Tower of London; The Moat in Bloom

Ing. Dr. Wolfgang Gappmayer, LL.M.

Rechtsanwalt Ing. Dr. Wolfgang Gappmayer, LL.M. hat nach seiner Reife- und Diplomprüfung an der HBLA Ursprung in Elixhausen das Studium der Rechtswissenschaften absolviert. Er ist glücklich verheirateteter Vater zweier Töchter. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt ist Wolfgang Gappmayer Lektor an der Fachhochschule des BFI Wien und Vorstandsmitglied des Weissen Rings (des Vereins „Weisser Ring“, gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und Verhütung von Straftaten).

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